Der deutsche Geschäftsmann und Abgeordnete der populistischen Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD), Jörg Dornau, unterzeichnete eine Vereinbarung mit der Lidaer Haftanstalt „Isolationszentrum für Straffällige“ (IZS) und beschäftigte regelmäßig Belarussen, die aus politischen Gründen inhaftiert sind, auf seiner Zwiebelplantage bei Lida. Sie erhielten etwa 5 Euro Arbeitslohn pro Tag. Wie Reform.news herausfand, inspizierte der deutsche Politiker die Arbeit der politischen Gefangenen sogar persönlich.
Wir fanden einen der „Politischen“, der für Jörg Dornaus Firma „Zybulka-Bel“ Zwiebeln sortiert hat. Er heißt Andrej (Name geändert). Er ist nicht der einzige, der aus dem IZS zur Arbeit in der Landwirtschaft geschickt wurde, aber der einzige, der bereit war, Reform.news seine Geschichte zu erzählen.
Andrej wurde im Februar 2024 festgenommen. Er kam für 15 Tage ins IZS, für ein Like unter einem Beitrag in einem Sozialen Netzwerk. Über die Arbeitsbedingungen erzählt Andrej:
„Sie brachten uns zu einer Lagerhalle. Februar, Keller, jeder trug die Kleidung, die er eben hatte. Wir froren also an Händen und Füßen. Frühstück war um 7 Uhr, dann arbeiteten wir bis 18 Uhr ohne Essen und Trinken. Die Zwiebeln schmecken.“
Andrej sagt, dass ein Werkvertrag zwischen „Zybulka-Bel“ und dem IZS Lida geschlossen wurde. Er betont, dass es keine Zwangsarbeit war. Das erarbeitete Geld sollte die Kosten des Aufenthalts im IZS decken.
„Wir unterzeichneten jeden Tag einen Arbeitsvertrag. Wenn der Vorarbeiter der Meinung war, dass ein Häftling gut arbeitet, erhielt er seinen Lohn. Das IZS Lida bekam 30 Rubel, der Häftling etwa 20 Rubel. Die Zwiebeln wurden für die Handelskette „Evroopt“ sortiert.“
Auf die Frage, ob er etwas über den deutschen Landwirt wissen, sagt Andrej:
„Ich habe ihn sogar gesehen! Ein großer Mann mit Glatze. Er kam einmal mit dem Auto mit deutschem Kennzeichen vorbei. Kam in die Lagerhalle, wo wir gemeinsam mit den anderen Arbeitern Zwiebeln sortierten.“
Als wir ihm ein Foto von Jörg Dornau zeigen, sagt Andrej: „Könnte er sein!“
Jörg Dornau wurde im sächsischen Borna geboren. Er ist 53 Jahre alt, hat eine landwirtschaftliche Ausbildung und ist als Unternehmer tätig. 2016 trat er der rechtsextremen, prorussischen Partei „Alternative für Deutschland (AfD)“ bei. Seit 2019 ist er Mitglied des Sächsischen Landtags und in der AfD-Fraktion Sprecher für Landwirtschaftspolitik.
Dornau war innerhalb der AfD auch Mitglied der radikalen Gruppierung „Der Flügel“.
Der deutsche Politiker war in die bundesweiten Schlagzeilen geraten, als bekannt wurde, dass er den Landwirtschaftsbetrieb „Zybulka-Bel“ in Belarus besitzt. Sein Betrieb baut im Landkreis Lida auf einer Fläche von mehreren Hundert Hektar Zwiebeln und anderes Gemüse an. Es ist Landtagsabgeordneten gesetzlich nicht verboten, unternehmerisch tätig zu sein. Allerdings hatte Jörg Dornau seine Geschäfte in Belarus geheim gehalten und damit gegen die Offenlegungspflicht verstoßen. Infolge verhängte das sächsische Parlament im August 2024 ein Ordnungsgeld in Höhe von 20.862 Euro gegen ihn.
In Belarus tauchte der Deutsche häufig in den staatlichen Medien auf, traf sich mit hochrangigen Funktionären und genoss die Protektion der Machthaber.
Seine Firma „Zybulka-Bel” wurde im Oktober 2020 im Dorf Gudy im Kreis Lida, Gebiet Grodno im Handelsregister eingetragen. Zur selben Zeit schlug Alexander Lukaschenko mit seinen Sicherheitskräften die Massenproteste gegen die Wahlfälschung bei den Präsidentschaftswahlen nieder.
Mit Beschluss der Lidaer Kreisverwaltung wurden schrittweise Grundstücke des Landwirtschaftsbetriebes „Sowchose Lida“ zur dauerhaften Nutzung an „Zybulka-Bel“ überschrieben, insgesamt 1.555,4 ha.
„Jörg Dornau ist der führende Spezialist für Zwiebelanbau in Deutschland. Innerhalb von drei Jahren erwarten die Landwirte aus Leipzig einen jährlichen Ertrag von mehr als 10.000 Tonnen Zwiebeln. Das bedeutet, dass etwa jede fünfte in unserem Land angebaute Zwiebel aus Lida kommen wird“, frohlockte die der Präsidialverwaltung nahestehende Zeitung „SB. Belarus heute“ im Juli 2021.
Die Projektkosten lagen dem stellvertretenden Vorsitzenden der Lidaer Kreisverwaltung, Igor Kwassowka, zufolge zwischen 4,7 und 6 Millionen Rubeln (1,4-1,8 Mio. EUR).
„Neben Gemüseanbau und -verarbeitung plant der Investor auch die Schaffung eines vollwertigen Logistikzentrums zur Lagerung und Weiterverarbeitung der Produktion. Es werden 45 neue Arbeitsplätze entstehen“, schrieb die staatliche Zeitung „Lidskaja Gaseta“ im Januar 2021.
Das klingt doch vielversprechend, oder?
Darüber hinaus beteiligte sich „Zybulka-Bel“ an staatlichen Ausschreibungen. Zwischen 2022-2024 war Jörg Dornaus Firma drei Mal als Dienstleiterin für den Staat beim Kalken saurer Böden tätig. Das Gesamtvolumen der Aufträge belief sich auf 70.992 belarussische Rubel.
Ohne Sprachkenntnisse und die notwendigen Kontakte wäre es für Dornau allein sehr schwierig gewesen, sein Business in Belarus aufzubauen. Er hat also einen Geschäftspartner, den in Deutschland lebenden Unternehmer Yuri Kunitski. In der deutschen Presse kann man Folgendes über ihn lesen:
„… arbeitete viele Jahre für den russischen und belarussischen Propaganda-Apparat. In Bonitätsauskünften zu Kunitski steht: Von einer Geschäftsverbindung wird abgeraten.“
Das hinderte ihn nicht daran, ein gemeinsames Business mit Dornau aufzubauen: 50 % von „Zybulka-Bel“ gehört Kunitski. Von Dezember 2020 bis November 2023 war er Geschäftsführer des Betriebs, danach übernahm Dornau diese Funktion.
In einem Artikel der „Lidskaja Gaseta“ vom 31. März 2021 sagte Yuri Kunitski, der Prozess der Grundstücksüberschreibung liefe konform mit der geltenden Gesetzgebung. „Jetzt geht es auch um die Einstellung von Mitarbeitern. Unser Team wächst stetig. Aktuell stellen wir Maschinenschlosser ein. Insgesamt streben wir eine Mitarbeiterzahl von 50 Personen an, inklusive Saisonarbeiter“, so der Zeitungsbericht.
„Ich möchte die Gelegenheit nutzen und mich bei der Leitung der Kreis- und Gebietsverwaltung für das Vertrauen bedanken. Uns wurde grünes Licht gegeben“, erzählte Kunitski weiter.
Wie wir sehen, hat Jörg Dornau eine sehr eigenwillige Lösung für die Arbeitskräftefrage bei „Zybulka-Bel“ gefunden. Er überprüfte persönlich die Qualität der Leistung der belarussischen politischen Häftlinge. Der deutsche Politiker kannte und unterzeichnete die Verträge über die „Dienstleistungen“ einer Einrichtung, in der Belarussen wissentlich gefoltert werden.
Bei seinem Besuch in Belarus sagte Dornau:
«Deutschland verpasst hier eine wirtschaftliche Chance in einem Land, das mitten an der neuen Seidenstraße liegt, quasi als Bindeglied zur eurasischen Wirtschaftsunion mit über 180 Millionen Konsumenten.»
Dornau entschied also, die Chance einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Belarus nicht zu verpassen und nutzte das Dienstleistungsangebot des „Isolationszentrums für Straffällige“ in Lida.
Kleiner Exkurs: In den Zellen der politischen Häftlinge herrschen besondere Bedingungen: Matratzen, Kissen und Bettwäsche werden entfernt. Man darf nicht auf den Betten sitzen oder liegen. Die Gefangenen erhalten keine Päckchen. Das Licht in der Zelle brennt rund um die Uhr. Nachts wird mehrfach geweckt. In den meisten Zellen gibt es keine Toiletten und Waschbecken, nur Plastikeimer in der Ecke, die jeden Morgen in der Toilette im Gang ausgeleert werden müssen. Unser Gesprächspartner Andrej bezeichnet die Bedingungen als Folter.
Aktuell ist es in Belarus unmöglich, diejenigen zu bestrafen, die die Rechtlosigkeit der Belarussen ausnutzen. Deshalb hofft das Team von Reform.news, dass die deutsche Gesellschaft Jörg Dornau den einfachen Gedanken nahebringen kann, wie zweifelhaft es aus ethischer Sicht ist, die Arbeitskraft politischer Häftlinge auszubeuten.
Reform.news hat Jörg Dornau um eine Stellungnahme gebeten, bis zur Veröffentlichung des Artikels jedoch keine Antwort erhalten.